Sonja Sekula 1918-1963
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Sonja Sekula - Amores, 1961
Tusche und Aquarell auf Papier
15 x 12.2 cm
Bildbeschreibung
Das kleine Blatt mit dem Titel „Amores“ [spanisch, die Lieben] erinnert an eine vom Moment inspirierte und kurz auf eine Serviette notierte Liebeserklärung. Die Künstlerin, die regelmässig mit „Sekula“ unterschreibt, hat sich hier lediglich der Initiale „S.“ bedient, mit dem sie möglicherweise viel privater ihren Vornamen abgekürzt hat. Handelt es sich bei dem Blatt wohl um eine sommerliche Liebesgabe? Der spanische Titel, das Datum (1.8.1961) und die strahlende Farbe versetzen den Betrachter jedenfalls in den Spanischen Sommer, an einen angenehm heissen Tag an der Mittelmeerküste.
Ein Brief vom 1. August 1961, den Sekula an Alice Rahon schreibt, weist darauf hin, dass es vielmehr eine Erinnerung an einen solchen Moment ist. Sie berichtet, dass sie sich in Zürich isoliert fühle „[...] but I have made my studio into a magic island.“ Dabei beschreibt sie die Einrichtung und die Dinge, die sie auf dem Fenstersims ausstellt: „Streichholzschachteln, alte Holzstücke, Kerzen, einen selbstgemachten Keramikbecher, der nur ein Räucherstäbchen enthält, zwei grosse Muscheln aus Spanien, Kieselsteine, so viele Kieselsteine aus Flüssen und Wäldern.“ Die Sammlerin packt die Waldeinsamkeit und den Tag am Meer in ihre Tasche, bringt sie heim und hegt sie in der Form dieser Kleinodien im Atelier. Vielleicht dienen sie ihr, um auf ihre magische Insel zu entfliehen:
Das kleine Blatt strahlt in Azur. Mit einem breiten Pinselstrich wurde ein Streifen transparentes blau aufgetragen. Es erinnert an die Spiegelung eines Stücks Spanischen Himmels auf dem ruhigen Meer, das hinter dem schmalen Sandstrand beginnt, den das hellbeige Papier vorgibt. Im Kontrast zur grossen Geste in blau zeichnen dünne schwarze Linien die Szenerie. Die geschwungenen Linien, die an Kurven eines Violinschlüssel erinnern, beschreiben stimmungsvoll zwei sich in Bewegung befindende Figuren, die sich aneinanderschmiegen, sich ungezwungen im Wasser und am Strand begegnen und ihre gegenseitige Passform noch finden. Das betrachtende Auge sucht bekannte Formen in den Linien und glaubt mit etwas Abstand zwei Köpfe, einen Hintern und Brüste zu entdecken – und schützend über dem Paar und ihm einen Rahmen gebend eine Wolke in angedeuteter Herzform. Im Detail betrachtet verschwimmen diese Formen wieder zu schwarzen Linien.
Roman Kern, Ostern 2024